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Mittwoch, 25. Juni 2008

Nachtrag

Zu meinem letzten Eintrag passt eine Geschichte, die uns Caro erzählt hat…

Caro war vorgestern bei uns oben… eigentlich wollte sie nur fragen, ob sie sich für Seans vierzigsten Geburtstag unsere Jukebox ausleihen können. Wir kamen dann ein bisschen ins Gespräch, sie fragte, wie unsere Vierer-WG liefe, Ben und Eric seien ja wirklich zwei Nette - und so kamen wir auf Ben zu sprechen, auf die Geschichte seines schwierigen Outings, die unglückliche Zeit davor, als er glaubte, unbedingt "normal" sein zu müssen, und die anschließenden Schwierigkeiten mit seiner Familie.

Caro kannte die Story, Ben hat mal mit ihr darüber gesprochen. Und gestern meinte sie dann plötzlich: "Wisst ihr, er hatte trotzdem noch großes Glück! Es hätte viel schlimmer laufen können." Noch schlimmer?

Und als Antwort begann Caro, uns von ihrem Bruder Andy zu erzählen.

Andy ist zwei Jahre jünger als seine Schwester. Sie wuchsen in einem kleinen Kaff in Georgia auf, die Familie hatte dort eine kleine Farm. Werktags gingen sie zur Schule, samstags und sonntags in die Kirche, es gab ein Café und ein von der Kirche betriebenes Vereinsheim, wo sich die Jugendlichen treffen konnten - soweit ok, wenn man es nie anders gewohnt war.

Andy war sechzehn, als ihm klar wurde, dass er auf Männer stand. Er ging damit zu Caro… und Caro war, wie sie sagte, "voller Mitleid und Liebe, aber auch Entsetzen". Und sie riet ihm, sich den Eltern anzuvertrauen, die würden schon wissen, was er tun könne.

Die Eltern reagierten ähnlich wie zuvor Caro - und zogen den örtlichen Pfarrer ins Vertrauen, der ihnen versprach, sich der armen Seele anzunehmen. Fortan musste Andy nach der Schule zum Pfarrer kommen, er wurde in die Gemeindearbeit eingebunden, musste überall mithelfen und zudem viele Einzelgespräche mit dem Pfarrer führen. Und jeden Abend musste er beichten, ob er tagsüber wieder "sündigen Gedanken und Vorstellungen" nachgehangen habe (was wohl immer der Fall gewesen war). Dafür gab es Strafen, die aus weiteren Arbeiten für die Gemeinde, vielen Gebeten und manchmal auch schmerzhaften Dingen bestanden.

Etwa ein Dreivierteljahr hielt Andy es durch, dann gab er auf. Er erzählte dem Pfarrer bei der abendlichen Beichte, dass diese Gedanken allmählich so gut wie nie mehr kämen, tapezierte sein Zimmer mit Postern von vollbusigen Blondinen (was zwar auch nicht gerade gern gesehen, aber immerhin als Fortschritt gewertet wurde) und fing an, mit einem Mädchen aus dem Dorf zu gehen.

Einen Monat später beschloss er, sich das Leben zu nehmen.

Caro hatte Tränen in den Augen, als sie uns davon erzählte. "Glaubt mir, es gab nichts vorher - keinen Hinweis, keine Warnung, keine Andeutung, damit er vielleicht rechtzeitig gefunden und gerettet würde. Es war purer Zufall… ich kam früher als sonst nach Hause, wollte etwas von ihm ausleihen und ging in sein Zimmer, und da saß er da und nahm gerade die Tabletten aus der Packung. Neben ihm stand ein Glas Wasser, und einen Abschiedsbrief hatte er auch bereits geschrieben. Eine halbe Stunde später wäre es vielleicht schon zu spät gewesen."

Sie haben damals lange zusammen geredet, sie konnte ihn von seinem Vorhaben abbringen, stattdessen packte er ein paar Sachen und verschwand noch in der Nacht nach San Francisco… der Stadt, die in seiner Vorstellung das Sinnbild von freiem, unkonventionellem Leben war. Kurz später verließ auch Caro ihr Elternhaus, sie ging nach New York, arbeitete dort als Sekretärin und verwirklichte nebenbei ihren großen Traum… sie wurde Drummerin in einer Gothic-Metal-Band.

Andy kam in San Francisco gründlich unter die Räder… jung und naiv, wie er war, ohne Ausbildung, ohne Freunde. Er hat dort wohl einige unschöne und auch kriminelle Erfahrungen gesammelt. Die Geschwister sahen sich mehrere Jahre nicht, hatten aber immer telefonisch Kontakt. Den Kontakt zu seinen Eltern hatte er - im Gegensatz zu Caro - allerdings ganz eingestellt.

Und eines Tages fragte Andy seine Schwester dann, ob sie bereits sei, jemanden kennenzulernen… jemanden, der ihm sehr viel bedeute.

Das war Tom - der Kerl, mit dem er jetzt noch zusammen ist. Ein Mann, der, wie Caro es beschreibt "wohl schon mit lachendem Gesicht und guter Laune auf die Welt gekommen ist"... immer fröhlich und optimistisch, dazu zwölf Jahre älter als Andy, damals bereits lebenserfahren und in geordneten Verhältnissen lebend. Er bat Andy, zu ihm zu ziehen, vermittelte ihm einen Job und sorgte dafür, dass er die Schulden, die er überall angehäuft hatte, nach und nach zurückzahlte. Von Anfang an machte er ihm klar, dass er ihn liebt und eine ernsthafte Beziehung mit ihm möchte… aber offen und ohne Versteckspiel, egal was die Umgebung dazu sagt. Für ihn war das nicht weiter schwer, er war in einer toleranten Familie aufgewachsen und hatte immer sein eigenes Leben gelebt. Für Andy dagegen war es eine völlig neue Erfahrung - vor allem auch, dass Toms Eltern ihn von Anfang an akzeptierten und wie einen Sohn behandelten.

Die beiden sind zusammen geblieben bis heute. Irgendwann suchte Andy auch wieder den Kontakt zu seinen Eltern, es gab ganz vorsichtige Annäherungen… und inzwischen wird Tom auch zu größeren Festen wie Thanksgiving oder Weihnachten mit eingeladen. Allerdings kommt, so Caro, von ihren Eltern auch heute noch ein "du muss ja nicht so genau erklären, wer er ist, sag doch einfach, er ist ein guter Freund von dir", wenn noch andere Leute eingeladen sind.

Warum muss manchmal alles so kompliziert sein? *seufz*

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